Quo vadis Söchau?

Schulden: Söchau will mit Fürstenfeld fusionieren
Diese Meldung verdient einen Kommentar: Die letzte "Gemeindestrukturreform" ist leider verunglückt. Städte sollten auch nach Eingemeindungen noch Städte sein, und Landgemeinden sollten Landgemeinden bleiben. Wenn eine Stadt Vororte "aufsaugt" bleibt sie eine Stadt, wenn eine Landgemeinde sich mit umgebenden Landgemeinden zusammenschließt wird sie eine größere Landgemeinde aber keine Stadt. Wenn Fürstenfeld sich um Altenmarkt, Speltenbach oder Dietersdorf "vergrößert" hat es sich um Vororte erweitert, andererseits können Landgemeinden Verbände bilden, z.B. einen Gemeindeverband "Rittschein" von Übersbach bis St. Kind (mit Zentrum Söchau) um Verwaltungs- und Betriebskosten zu sparen, bleiben aber Landgemeinden auch wenn der Verband mehr Einwohner als manche Stadt hat.
Die Bildung von Gemeindeverbänden wird hauptsächlich im Westen Österreichs genutzt, sind dortige Kommunalpolitiker klüger als deren Gegenstücke im Osten?
Die letzte Gemeindestrukturreform hat für Fürstenfeld keine bessere Struktur gebracht, Fürstenfeld ist eine willkürliche Mixtur geworden: Die "grünste" der oststeirischen Bezirksstädte wie der Bürgermeister behauptet. Man könnte auch sagen: Eine Landgemeinde mit einer Kleinstadtzone.
Ich dachte die von der Raumplanung gewünschte Struktur um Bodenverbrauch (und Betriebskosten) gering zu halten sei: Kompakte Städte, weitläufige Landgemeinden. Die Strukturreform ging in die andere Richtung. Ist meine Meinung wirklich so falsch?

H.F. 3.7.2024


Das Thema scheint sich über den Sommer zugespitzt zu haben: Ein Bericht des ORF Steiermark vom 29.8. und ein offener Brief von Martin Mair an den Fürstenfelder Gemeinderat haben mich veranlasst das nochmals aufzugreifen und meine Sicht zu formulieren, speziell die Gesichtspunkte Bedarfszuweisungen und Gemeindestrukturen.

Bedarfszuweisungen

Bei fehlenden Finanzmitteln für Investitionen sollte zuallererst, vor der Aufgabe der Gemeindeautonomie an die Möglichkeit von Bedarfszuweisungen gedacht werden. Diese sind speziell für kleine finanzschwache, zumeist ländliche Gemeinden vorgesehen, werden aber oft von finanzstärkeren Gemeinden mißbraucht.

Fürstenfeld hat Bedarfszuweisungen in Anspruch genommen, und das ist rechtlich (Landesgesetz) nur zulässig wenn die Gemeinde die Investition nicht mit eigenen Mitteln stemmen kann. Mit der Fürstenfeld gewährten Bedarfszuweisung zur Errichtung der innerstädtischen Parkplätze (lt. Landesgesetz ist Parkplatzbau nicht via Bedarfszuweisung förderbar!) könnte Söchau locker das Kanalnetz (rechtlich zulässig) sanieren.

Der steirische Brauch: Die freihändige Vergabe von "Bedarfszuweisungen" (Schwarzer LH an schwarze Gemeinden, roter Vize an rote Gemeinden, außer ans dunkelrote Graz) ist eine Frechheit, insbesonders wenn nicht einmal die ohnehin lockeren Vergaberichtlinen eingehalten werden. Wen wundert's wenn Politiker die ein Amt führen und vereidigt sind kaum mehr Vertrauen genießen.

Den undurchsichtigen Förderdschungel, nicht nur in der Steiermark kritisiert die EU seit langem. Aufgrund der Budgetlöcher besteht die Hoffnung das eine kommende Regierung zumindest die Ermessensspielräume bei Förderungen reduziert.

Gemeindestruktur

Fürstenfeld und Nachbargemeinden, nach Bevölkerungsdichte sortiert

FlächeEinwohnerDichte
km²EW/km²
Fürstenfeld50,318.902177
Ottendorf14,271.593112
Söchau18,181.46681
Loipersdorf25,051.80772
Riegersburg71,205.00570
Groß Wilfersdorf38,242.11555

Im oststeirischen Städteränking lag Fürstenfeld im oberen Feld wenn man die alte Struktur verwendet, nun abgeschlagen am letzten Platz, und mit Söchau noch tiefer.

FlächeEinwohnerDichte
km²/km²
Weiz17,5011.993685
Fürstenfeld (alte Struktur)15,256.670437
Hartberg21,546.713312
Gleisdorf38,8011.525297
Feldbach67,1213.515201
Fürstenfeld50,318.902177
inkl. Söchau68,4910.368151

Fürstenfeld war bis zur letzten Strukturreform lt. Kennzahlen eine kompakte Stadt (437 EW/km²), und hat sich mit der Reform in Richtung Landgemeinde bewegt (177 EW/km²). Mit der Eingliederung von Söchau entfernt es sich noch weiter vom Begriff "Stadt" (151 EW/km²), weniger als Hofstätten an der Raab (157 EW/km²). Die Bevölkerungsdichte ist auch umgekehrt proportional zu Straßenfläche pro Einwohner und direkt proportional zu Grundstückspreisen, siehe IMMOWERT123.at. Die Zahlen dort widersprechen einer Einordnung der Gemeinde Fürstenfeld als Stadt.

Rückblick

Früher orientierte sich die Gemeindestruktur an wirtschaftlichen und soziographischen Strukturen. Dorf, Markt, Stadt waren Strukturbegriffe. Auch Dörfer hatten Bürgermeister (zumeist im Nebenerwerb) und ev. einen Gemeindearbeiter. Es kamen Postleitzahlen und Telefonvorwahlnummern die Gemeinden zusammenfassten. Die "Services" (Feuerwehr, Rettungsdienste, Schulen, Wasserversorgung, Müllentsorgung usw.) legten neue Strukturen aufs Land, und die durch Individualverkehr erleichterte Zersiedelung scheint strukturellen Gesichtspunkten den letzten Rest gegeben zu haben.

Aber es wurden Wasserverbände gegründet, auch Abwasserbeseitigung wird teilweise überkommunal organisiert. Nicht so in Söchau? Könnte ein Abwasserverband "Rittschein" etwas gegen das Söchauer Kanalproblem unternehmen und so eine Fusion obsolet machen? Die Müllentsorgung ist schon lange privatisiert und Gemeinden schließen Verträge mit Entsorgungsunternehmen oder Abfallwirtschaftsverbänden. Obwohl Kostenreduktion immer wieder als wichtiger Grund für die Bildung größerer Einheiten genannt wird, bei Müllabfuhr scheint das nicht zu gelten: Auch ein Jahrzehnt nach der Angliederung Altenmarkts an Fürstenfeld fährt die Müllabfuhr in einer die alte Grenze bildenden Sackgasse einmal für die rechte und andertags (selbe Firma) für die linke Straßenseite was zumindest betreffend Müllabfuhr das Kostenargument wackeln läßt. Billiger wurde es nicht, aber zumindest nicht erhöht wurden die Kommunalabgaben im Zuge der Fusion.

Alternative Gemeindestruktur

Wenn schon Zusammenlegungen dann gleich richtig: Eine Gemeinde "Rittschein" von Ottendorf bis Söchau. Das wäre nur möglich wenn St. Kind und Breitenfeld von der flächenmäßig großen Gemeinde "Riegersburg" (Bezirk Südoststmk.) zum Bezirk Hartberg-Fürstenfeld wechseln würden. Unmöglich ist das nicht, siehe Wikipedia: Am 1. Jänner 1969 wurden die Gemeinden Walkersdorf (Bezirk Feldbach) und Ottendorf bei Gleisdorf (Bezirk Weiz) der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld zugewiesen und zur neuen Gemeinde Ottendorf an der Rittschein vereinigt. Warum Breitenfeld und St. Kind da außen vor blieben ist unklar. Strukturell (Größe, Dichte) ergäbe eine Gemeinde Rittschein (inkl. der irrtümlich Fürstenfeld zugeschlagen KG Rittschein) eine Gemeinde der Kategorie "Riegersburg", eine Zusammenfassung von Dörfern und Märkten ohne dominierende Stadt. Das hilft auch Fürstenfeld beim Erhalt des Restes der städtischen Struktur.

H.F. 2.9.2024


Nachtrag

Dass die Finanzmittelverteilung im föderalen Österreich schlecht gelöst ist (Bedarfszuweisungen als Spielball von Parteipolitikern) sollte kein Grund für die Fusion sein. Ein Vergleich: Salzburg mit Graphik versus Steiermark. Ohne jetzt die Zahlen bewerten zu wollen: Die Salzburger Darstellung ist unvergleichlich transparenter und erschwert den "steirischen Brauch".

Die kommunalen Liquiditätsprobleme sind bekannt, als Lösung gelten kurzfristig Bedarfszuweisungen, mittelfristig Strukturreformen. Kurzsichtige Gemeindepolitiker wählen den umgekehrten Weg!

H.F. 3.9.2024


Finale

Eine Postwurfaussendung des Bürgermeisters störte mich, da ich vom Bürgermeister als Bürger betrachtet werden will. "Geschätzte Bewohnerinnen und Bewohner!" finde ich in einer Anrede betreffend Bürgerangelegenheiten unpassend, daher der erkennbare Unmut. Offen bleibt die Frage warum der Fürstenfelder Gemeinderat mit so deutlicher Mehrheit für die Fusion gestimmt hat, ich sehe mehrere Möglichkeiten, hier die weniger diskutierten:

Fürstenfeld151 EW/km²
Sinabelkirchen121
Stinaz132

H.F. 7.9.2024


Stellungnahme der Gemeindeaufsicht

H.F. 14.10.2024